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Krefelder Mundart

Wie schreibt man Krefelder Mundart?
von Kurt Hausmann

Der Verfasser, Kurt Hausmann, Jahrgang 1925, ist pensionierter Schulrektor und setzt sich gern mit seiner Muttersprache auseinander. Der Aufsatz erschien im Jahre 1999 in dem Krefelder Jahrbuch "die Heimat", Jahrgang 1970. Die vielfach preisgekrönte "Zeitschrift für niederrheinische Kultur- und Heimatpflege" wird herausgegeben vom Verein für Heimatkunde in Krefeld.

Wenn jemand mit Mundart sprechenden Menschen aufgewachsen ist, kann er nach einigem Üben auch gut vorlesen. Er macht sich in der Regel wenig Gedanken über die Schreibweise der Wörter. Verfasst er für ein Familienfest, für eine Feier im Freundeskreis oder für eine Büttenrede zu Karneval einen Text, bereitet das Schreiben kaum Schwierigkeiten. Das sind persönliche Aufzeichnungen, die bekommt kein Fremder zu sehen. Anders ist das, wenn der Mundarttext veröffentlicht werden soll. Arbeiten "Fachleute" hinterher mit dem Rotstift daran?

Die Schwierigkeit des Mundartautors besteht darin, die Buchstaben der hochdeutschen Schrift für die Lautung der Mundart zu verwenden. Eigentlich müsste Lautschrift verwendet werden. Solche Versuche konnten sich aber nicht durchsetzen, weil die Lautschrift zu wenig bekannt ist. Das gilt weithin auch von der Lautschrift "Rheinische Dokumenta", die seit 1986 vom Amt für rheinische Landeskunde, Bonn, propagiert wird.

In dem Buch, das die Krieewelsche Pappköpp unter dem Titel "No bös Do dran" veröffentlicht haben, schreibt Schäng auf Seite 10:

"No es krieewelsch Platt schriewe al son Werk met Schruwe. Dooefür jövvt et kinne Duden. On desweäje merkt m'r be et Leäse, dat dä Matthes manche Wöert angersch schrivvt als wie ech on ömjekiehrt. Dat es eäwes suo. Mar, Striet krieje m'r net dodrüewer".

Mundart will vor allem gesprochen werden. Man hört manchmal den Ausdruck Schriftsprache, wenn Hochdeutsch gemeint ist, und zieht so eine Grenze zur Mundart.

Immer wieder wurden Aufsätze zur Schreibweise der Mundart verfasst. Einige seien in der Reihenfolge des Erscheinungsjahres angeführt.

(1) Franz Heckmanns: "Ein Wort zur Schreibweise"
Der Sammlung von Liedern heimischer Mundart unter dem Titel "Für te senge on te danze" vorausgeschickt. Herausgeber: Deutscher Sprachverein Zweig Krefeld, 1931

(2) Franz Heckmanns: "Wie schreiben wir Mundart?"
Der von Josef Brocker zusammengestellten Sammlung niederrheinischer Geschichten in Mundart unter dem Titel "Os Art" vorausgeschickt. 1956

(3) Willy Hermes: "Wie schreibe ich Krefelder Mundart?"
in "Schöttspoul", Seite 112, Erstausgabe 1952, und "Stickschött", Seite 115, Erstausgabe 1955

(4) Emil Feinendegen: "Lie'rer, Aard on Blaghe"
in Jg. 41 der Zeitschrift für niederrheinische Heimatpflege "die Heimat", Seite 73 f., 1970

(5) Willy Hermes: "Sprachgebrauch"
in "Krieewelsch von A bes Z", Mundartwörterbuch, Seite 11 f., 1978

(6) Willy Hermes: "Über den Umgang mit der Mundart"
in "Krieewelsche Mäuzkes", Seite 247, 1984

Das Studium der Aufsätze zeigt, dass die Schreibweise unserer Mundart ständigen Veränderungen unterworfen ist. Das wird wohl auch so bleiben, ein Zeichen dafür, dass Mundart eine lebendige Sprache ist. "Die Schreibweise ist leider am gleichen Ort bei jedem verschieden, weil jeder einen anderen Tonwert hört und darstellen möchte" (2). Eine Angleichung ist nach dem Erscheinen des Mundartlexikons (5) bereits erfolgt. Dennoch lässt sich die vorgeschlagene Regel: "Behalte das hochdeutsche Schriftbild soweit wie möglich bei!" (2) meines Erachtens weiter verbessern.


1. Der nachklingende Selbstlaut, auch Schleiflaut genannt

2. Das nachklingende "ä"

3. Das nachklingende "o"

4. Bindestrich und Auslassungszeichen

5. Die Dehnung in der Mundart

6. Der kurze Selbstlaut

7. "ß" in der Mundart

8. "f", "w", "v" oder "vv" im In- oder Auslaut

9. Noch einige Hinweise

10. Mundart: Sprache und Schreibweise - eine Anregung


1. Der nachklingende Selbstlaut, auch Schleiflaut genannt
(Do häs wahl ene Vuorel.)

Als ich das Wort "Vogel" in Krefelder Mundart schreiben wollte, fragte ich mich: "Wie kennzeichnet man am besten den nachklingenden Selbstlaut?" In der mir zugänglichen Mundartliteratur fand ich folgende Lösungen:

 
Vurel Es ist kein nachklingender Selbstlaut zu hören.
Vuërel Die beiden über dem "e" stehenden Punkte (Trema) gelten als Zeichen einer getrennten Aussprache zweier aufeinanderfolgender Selbstlaute.
Vu-erel Der Bindestrich soll verhindern, "ue" als "ü" zu lesen.
Vu'erel Das Auslassungszeichen hat dieselbe Aufgabe wie der Bindestrich im vorherigen Beispiel.
Vuorel Nach "u" gibt es kein nachklingendes "e", sondern ein "o".
Vüejelke Das nachklingende "e" erfordert nach einem Umlaut keine besondere Kennzeichnung. Sie entfällt auch nach einem langen "ie" (Niees = Nest).


Aber ich fand auch "Vuegel", "Vuojel" und "Vuoghel". In diesen Beispielen geht es um die Frage: "Wie soll der Rachenlaut im Innern eines Wortes gekennzeichnet werden?". Es wird zwar empfohlen, das dem Niederländischen eigene "gh" zu schreiben (4), aber wer weiß das? Ein "j" und ein "g" kann man schlecht schreiben, also bleibt nichts anderes übrig, als ein "r" zu benutzen (5).

Es stehen also neun "Vögel" zur Auswahl, die in Krieewelsch auf uns zugeflogen kommen. Es gibt keinen Mundart-Duden. Entscheiden kann nur die Antwort auf die Frage: "Welches Wort ist am besten zu lesen?"

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2. Das nachklingende "ä"

(Ze Mäertes ritt wieer op sinn Peärd.)

In älteren Mundartgeschichten findet man fast ausschließlich die Schreibweise Päerd = Pferd (Käetel = Kessel, Äete = Essen). Seit Willy Hermes vom nachklingenden "ä" gesprochen hat (6), hat sich das geändert. Heute schreibt man vielfach Peärd, Keätel, Eäte, wenn das hochdeutsche Wort mit "e" geschrieben wird. Steht aber im hochdeutschen Wort ein "a" oder "ä", wird die alte Schreibweise beibehalten (Mäertes = Martin, Schuhnmäeker = Schuhmacher, wäeß = wächst, Bläer = Blätter).

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3. Das nachklingende "o"
(Dinne Suohn klömpt allwieer üever oser Muor.)

Nach "u" höre ich kein nachklingendes "e" sondern ein "o", das ich ohne Bindestrich anführe" (3). Dieser Hinweis von Willy Hermes wird heute von den meisten Mundartautoren beachtet (Buohne = Bohnen, luope = laufen).

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4. Bindestrich und Auslassungszeichen
(Met sonn Kle'er jonn ech net vür de Düer.)

Bindestrich und Auslassungszeichen sollen im allgemeinen nicht zur Kennzeichnung eines nachklingenden Selbstlautes verwandt werden, da sie im Hochdeutschen andere Aufgaben haben. Es wird die Verdoppelung des vor dem Schleiflaut stehenden Selbstlautes empfohlen (Zooert = Sorte, Strooet = Straße, opstooehn = aufstehen). Dabei kann es dann aber auch zu Selbstlauthäufungen kommen, wie zum Beispiel bei nooelooete = nachlassen.

Würden bei diesem Verfahren drei "e" hintereinander zu stehen kommen, sollte man ein Auslassungszeichen verwenden, denn es wird in diesem Fall ein Buchstabe fortgelassen (Kle'er = Kleider, bre'er = breiter, fre'e = freien) (5).

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5. Die Dehnung in der Mundart
(Stiena hät die Schuohn allwieer kapott.)

Das lange "ie"
Es kommt in Wörtern wie Pief = Pfeife, Ries = Reis und kieke = gucken vor.

Die Verdoppelung des Selbstlautes
Breef = Brief, Waater = Wasser; Koor = Kostprobe
Es können sogar Selbstlaute verdoppelt werden, bei denen das in Hochdeutsch nicht möglich ist (fuul = faul). Die Verdoppelung von Umlauten ist auch möglich (Lüüsch = Schilfrohr).

Das Dehnungs-h
Das Dehnungs-h finden wir in Wörtern wie Schuhn = Schuhe, Höhnsche = Hühnchen, leht = leicht.

Manchmal sieht es so aus, als leiste sich die Mundart sogar eine doppelte Dehnung (Drooeht = Draht, nieehne = nähen, Wooehnes = Wohnung, liehre = lernen, Weehwaater = Weihwasser).

Bei näherem Hinsehen entdeckt man, dass in dem entsprechenden hochdeutschen Wort ein "h" steht, auf das man wegen der besseren Lesbarkeit nicht verzichten soll. Die Übernahme des Dehnungs-h sollte man aber nicht zum Prinzip erheben, sonst entstehen sich widersprechende Schreibweisen. Ein Dehnungs-h steht dann hinter einem kurz gesprochenen Selbstlaut (w'r jo(h)nnt = wir gehen, jewähnnt = gewohnt). Das sollte vermieden werden.

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6. Der kurze Selbstlaut
(Wie mir Krotte woere, häbbe m'r en de Scholl stell sette mödde.)

Der kurze Selbstlaut wird wie im Hochdeutschen durch die Verdoppelung des nachfolgenden Mitlautes kenntlich gemacht (Kösse = Kissen, Kull = Loch, schödde = schütten).

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7. "ß" in der Mundart
(Os Jruoß jieeht nooe de Pooeß.)

Nach der neuen Rechtschreibung schreibt man "ß" nur noch nach einem langen Selbstlaut oder nach einem Doppellaut (Diphtong: ei, au, eu). So sollte man auch in der Mundart verfahren (Jaaß = Gast, Feäß = Fest, Chrieeß = Christian, Preuß = Soldat, der bei den Preußen gedient hat).

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8. "f", "w", "v" oder "vv" im In- oder Auslaut

"f" im In- oder Auslaut
Das "f" im In- oder Auslaut sollte man in der Mundart immer dann benutzen, wenn auch das hochdeutsche Wort mit "f" geschrieben wird (Pief = Pfeife, stief = steif, Loff = Luft, fief = fünf, fiffzig = fünfzig, Löffke = Lüftchen, effe = einfach).

"vv" im In- und Auslaut
Das "vv" sollte man im In- und Auslaut in der Mundart nach einem kurzen Selbstlaut schreiben, wenn das Wort im Hochdeutschen mit "b" geschrieben wird, in der Mundart aber ein "f" zu hören ist (evvkes = eben, Wivvke = Weibchen, Javvel = Gabel, Blivv! = Bleib!, Lövvke = Löbchen, Livvke = Leibchen).

"w" im In- oder Auslaut
Spricht man in der Mundart ein "w", im Hochdeutschen aber ein "f", sollte man "w" schreiben. (Oewen = Ofen; Krieewel = Krefeld, Stieewel = Stiefel, Schweäwel = Schwefel, Düwel = Teufel, Hawer = Hafer, lieewere = liefern, Breewe = Briefe).

"v" im In- oder Auslaut
In der Mundart sollte man ein Wort mit "v" schreiben,
wenn es im Hochdeutschen auch mit "v" geschrieben wird (Kurv = Kurve, Larv = Larve, Nerve = Nerven, Klieev = Kleve, Keävele = Kevelaer, Polver = Pulver).
wenn es im Hochdeutschen mit "b" geschrieben wird (Selver = Silber, Schrieves = Schreiben, Leäve = Leben, Salv = Salbe, Körv = Korb, Ooevend = Abend, süver = sauber, üever = über, sieeve = sieben, Liev = Leib, jrooev = grob).
blieve, blivvt, jeblieeve
sterve, stirvt, jestorve
leäve, levvt, jelevvt
drieve, drivvt, jedrieeve
weäve, wevvt, jewooeve
jraave, jrävvt, jejraave
jeäve, jövvt, jejooeve
rieve, rivvt, jerieeve

Bei Verben halte ich diese Schreibweise für besonders vorteilhaft. Wenn man anders verfährt, ist ein Buchstabenwechsel zwischen "w" und "v" unumgänglich (leäwe, levvt, jelevvt).

Die von mir vorgeschlagene Schreibweise fand ich bei den Mundart-Autoren Wilhelm Grobben aus Kempen und Peter Janßen aus Birgden im Selfkant. Bei Krefelder Mundart-Autoren ist hier keine übereinstimmende Linie zu erkennen. Da wird zum Beispiel
Oewend = Abend mit "w",
vanoevend = heute abend aber mit "v",
leäwe = leben mit "w",
kleäve = kleben mit "v",
sieewe = sieben mit "w",
schrieve = schreiben mit "v",
Weäwer = Weber mit "w",
neäve = neben mit "v"
geschrieben (5).

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9. Noch einige Hinweise

In der Mundart bedeuten "ae", "oe" und "ue" nicht "ä", "ö" und "ü".

"g" im Anlaut (hochdeutsch) wird immer als "j" gesprochen und geschrieben.

Bei der Frage, ob "d" oder "t" im Auslaut, richte man sich nach der Schreibweise im Hochdeutschen: Duod = Tod, duot = tot.

Schreibung kurzer Wörter
Häufig macht die Schreibweise von Geschlechts-, Für- und Bindewörtern Schwierigkeiten. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das "Krefelder Mundartlexikon" von Rudi Neuhausen (Hochdeutsch - Mundart). Darin sind auch viele "Kurzwörter" aufgeführt.

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10. Mundart: Sprache und Schreibweise - eine Anregung

Im vierten Schuljahr einer Krefelder Grundschule sollte ich den Schülerinnen und Schülern etwas über Krefelder Mundart erzählen. Als ich den Klassenraum betrat, sagte die Klasse im Chor ein Gedicht auf. Ich verstand kein Wort, bedankte mich aber höflich für den freundlichen Empfang und erfuhr, dass das Gedicht "Wäwer-Denkmal" von Oelhausen deklamiert worden war. Warum hatte ich kein Wort verstanden? Die Lehrerin, die das Gedicht mit viel Fleiß eingeübt hatte, stammte aus Wesel. Sie hatte Oelhausen in Weseler Mundarttöne übertragen.

Das zeigt, bei jedem Versuch der Darstellung der Laute und Lautverbindungen stehen uns in der Mundart die Mittel zur Verfügung, deren sich die hochdeutsche Sprache bedient. Eigentlich müsste man sich zur Übermittlung mundartlichen Sprachgutes der Tonträger bedienen. Solange das aber nur in geringem Maße geschieht, sind der Vortrag und das gedruckte Wort der häufigste Weg der Übermittlung von Mundart.

Deshalb sei die Wichtigkeit der Mundartschreibung zum Schluss betont. Emil Feinendegen gibt dafür in seinem Aufsatz "Von der praktischen Arbeit der Mundartfreunde in Gegenwart und Zukunft" in "Mensch und Mundart am Niederrhein" auf Seite 27 f drei Gründe an:

weil es von ihr abhängt, ob die Arbeiten gelesen werden.
weil es mit dazu beiträgt, die Mundart reinzuhalten.
weil es keine einheitliche Schreibung der Mundart geben kann.

So sind die Darlegungen als Anregungen und nicht als Regeln zu verstehen. Um noch einmal mit Schäng zu sprechen: "Dooe krieje m'r kinne Striet drüever".

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